Rether comes alive
Aber so richtig.
Normalzeit und Schaaf hatten doch gestern Abend das unfassbare Glueck, einen Auftritt meines Lieblingskabarettisten beizuwohnen.
Zugegeben, war schon etwas schwierig, ich habe mich naemlich schon im Februar um die letzten Plaetze balgen muessen und konnte mit Mueh und Not noch 2 Prol-Barhocker-Sitzgelegenheiten fuer die Minderbemittelten oben auf dem Rang exclusive Logenplaetze ergattern.
Zudem noch in einer sehr aussergewoehnlichen Location hier in unserem schoenen Stadtchen, dem Berolzheimerianum, urspruenglich 1904 von einem ortsansaessigen Bleistiftfabrikanten gestiftetes Volksbildungsheim in reinem Jugendstil.
Dieses wunderbare Gebaude komplett mit riesigem Saal wird ueberwiegend von einem dumpfbackigen, fraenkelnden, mit platten Dummheiten um sich blahenden “Waltraut und Mariechen” Komoediantenstadl ambitionierten Kleinkunstverein(?) bespielt, deswegen hatten wir noch nie Gelegenheit, in den optischen Genuss dieser phantastischen Kulisse zu kommen.
Und nun spielt doch glatt dieser Rether da, diese Chance mussten wir natuerlich nutzen.
Und wir wurden wirklich nicht enttaeuscht, es war ein wunderbarer Abend, Herr Rether mit seinen aeusserst feinsinnigen Aeusserungen, leise, gnadenlos und mit einer wohlproportionieren Bitterkeit behaftet, die einem angesichts der Sachlage in unserem schoenen Staat (die man ja so schnell vergisst) Schauer der Erkenntnis ueber den Ruecken treibt.
Und er hat sie rund gemacht.
Alle.
Das ganze braune Gesockse, die, die einem ein Dogma aufdruecken wollen, Ratzefatze und Konsorten und die netten Herrn in ihren schicken Anzuegen, die glauben sie haetten die Weisheit mit Loeffeln gefressen und koennten somit das Staatssystem noch weiter zu ihren Gunsten verbiegen.
Auch seine excellenten Ausfuehrungen zum Themenbereich “der kleine Unterschied zwischen Information und Wissen” wuerde wohl manchen Zeitgenossen die naechsten Tage zu Denken geben (aber die- ja genau die- gehen ja da eh nicht hin, smile).
Hier mal ein paar subjektive bildliche Eindruecke von der Veranstaltung, verhuscht wie immer, das Schaaf hatte naemlich mit dem Fotografierverbot zu kaempfen, da tut man sich etwas schwer, erstklassige pics zu machen, wenn man verzweifelt versucht, die Cam soweit abzudecken (zeitweise auch mit ganzem Koerpereinsatz) um den neugierigen Augen des Personals zu entgehen.
Ausgemalte Decke des Saales, sehr schoen, sehr schick.
Blick von den billigen Plaetzen des Ranges (nee, stimmt ja gar nicht, waren alle gleich teuer) auf das privilegierte Publikum, die sogar Tischchen hatten im Saalrund.
Hier Herr Rether mit seinem Instrument (nicht der Baseballschlaeger, das Klavier) in Trance.
Wie macht man die Presse moeglichst elegant und vernichtend rund?
Genau so, edler Anzug, messerscharfe Argumente, gepflegte Umgangsformen.
Nach eineinhalb Stunden dann die Pause, jetzt schon hart am Buffer-overflow was excellentes Politkabarett angeht, traben Normalzeit und das Schaaf ins Foyer, um die dort for free von Campari-Catering Sklaven und Sklavinnen servierten Leckerlis einzufuellen, hmmm, Campari Soda mit viel Eis hat schon was.
Und tolle Glaeser hatten die dort auch, grins:
Irgendwie wollten die die gar nicht zurueck, oder hab ich da was falsch verstanden?
Glaeser kann man ja eigentlich immer brauchen.
Und genau diese leckeren Longdrinks fuehrten dann beim Schaaf nach zweieinviertel Stunden zur gewohnten Reaktion, wo ist hier die Toilette?
Nun gut, Schaaf will moeglichst wenig verpassen und spurtet die Treppe runter.
Waere ja auch nicht schlimm, aber diejenigen, die das Schaaf persoenlich kennen, wissen um den Umstand das es klingelt, und zwar nicht zu knapp.
Nunja, nicht das Schaaf direkt, vielmehr die schweren Beinreifen, die sich um die Hufe schmiegen.
Schaaf hoert das schon gar nicht mehr, Herr Rether allerdings schon….und haelt inne in seinem Vortrag um in die Runde zu fragen, was denn das wohl sei.
In diesem Moment wird mir ganz anders, oje, das bin ich….ich rufe ein kurzes “Schulligung” in den Saal und reisse in Panik die Tuere zum Foyer auf, grade noch im letzten Moment, denn ich fuehle schon, wie mir die Roete ins Gesicht steigt.
(OT Herr Rether: “Jetzt bin ich schon fast vierzig Jahre alt, aber so ein Geraeusch hab ich noch nie gehoert”.)
Zurueck bin ich dann ganz leise geschlichen und hab mich gaaanz langsam wieder hingesetzt, gnihihi.
Nach der Vorstellung habe ich dann die Chance genutzt und mich ganz offiziell fuer die Stoerung entschuldigt, hat ihm scheinbar aber nix ausgemacht, er hat nur gesagt “ach du warst das”, gelacht und mir ein obligatorisches Groupie Autogramm auf den Arm platziert, smile:
Niedlich.
Ganz lieben Dank Herr Rether fuer diesen wirklich aussergewoehnlichen Abend, es war uns eine Ehre.
Fazit:
Unbedingt hingehen, er ist wirklich aussergewoehnlich.
Ich werde gleich mal die Karten fuer die naechste Tournee klarmachen, einmal im Jahr darf man sich so ein Zuckerstueck schon geben.